Appretur-Stillstand auf Jahre hinaus

Bürgerprojekt-Verein gibt endgültig auf – Stadträte äußern „Sorge und Unmut“

Petra Eyssel und Liane Menz, die beiden Vorsitzenden des Vereins „Freunde der Appretur“, haben den Technischen Ausschuss des Gemeinderats in dessen Sitzung am Montag im Kurhaus über das Ende des Bürgerprojekts informiert. Die Auflösung soll in der letzten Mitgliederversammlung am 2. Dezember vollzogen und verbliebenes Vereinsvermögen in eine „Möblierung“ investiert werden, um die „Aufenthaltsqualität“ in der Grünanlage vor dem Industriedenkmal aus dem 19. Jahrhundert, das der Stadt gehört, „zu verbessern“, erklärte Eyssel.

Die Sprecher der Ratsfraktionen, Alexander Sochor (CDU), Gebhard Mayer (Freie Wähler) und Edwin Stöckle (SPD), verbanden ihren „Dank und Respekt“ für das über sechs Jahre währende bürgerschaftliche Engagement des Vereins, der immer noch 132 Mitglieder zählt, mit ihrem „Unmut“ und der „Sorge“ zum aktuellen Stillstand am Oberen Graben, den Eyssel zusammenfasste: „Wir glauben einfach, dass die nächsten Jahre gar nichts geht.“

Die Appretur in Isny (vorne rechts im Bild) ist zum Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung geworden, weshalb sich am Industriedenkmal aus dem 19. Jahrhundert auf unabsehbare Zeit nichts tun wird. FOTO: LIANE MENZ

Hintergrund sind, wie mehrfach berichtet, Risse im Mauerwerk, die im Frühjahr 2019 entdeckt worden waren. Sie zögen sich durch den kompletten langgestreckten Baukörper der Appretur entlang der Stadtmauer, die sich gesenkt habe, schilderte Eyssel im Rahmen des Rückblicks auf die Vereinsaktivitäten, und auch durch den Kalktuffstein des 1402 erstmals urkundlich erwähnten Diebsturms, dem mit Abstand ältesten erhaltenen Wehrturm der Stadt.

Als Ursache für die Rissbildung sehen Stadtverwaltung und „Freunde der Appretur“ Geländesenkungen infolge der Großbaustelle „Südliche Altstadt“. Ob dem tatsächlich so ist, müssen Baugutachter aber erst feststellen – und in der Folge rechnen Bürgermeister Rainer Magenreuter sowie Eyssel und Menz mit einem mehrjährigen Rechtsstreit. Der dürfte geführt werden mit dem Investor im Sanierungsgebiet und nachgeordnet auch mit beauftragten Planern und ausführenden Fachfirmen.

Aus Termingründen und anschließend wegen der Corona-Pandemie habe es weit über zwei Jahre gedauert, bis ein „Gerichtsgutachter“ erstmals die seither für jedermann gesperrte Appretur betreten habe, erklärten Eyssel und Magenreuter. Beim Ortstermin seien unter anderem Messpunkte und Gipsmarken gesetzt worden, um festzustellen, ob sich der Baubestand weiter verändert. Liane Menz verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass die „bauhistorische Untersuchung Gold wert“ sein dürfte, mit der die „Freunde der Appretur“ in den Jahren 2017/18 Karin Uetz, eine „Bauforscherin aus Vogt“, beauftragt hatten. Die Daten, die damals mittels einer „3D-Laserscanvermessung“ von der Appretur ermittelt wurden, könnten bei der Beurteilung der Rissbildung noch „wertvoll werden“, zeigte sich Menz überzeugt.

Aufgrund des zeitlich unabsehbaren Stillstands den Bettel hingeschmissen haben die „Freunde der Appretur Isny e.V.“ (von links): Ursel Gutmair, Silke Denniger, Liane Menz, Sabine Dinser und Petra Eyssel. FOTO: KARIN BUCHER

Dem Bürgermeister war wichtig zu betonen, dass die Stadtverwaltung „keinen Einfluss“ habe auf das weitere Verfahren, und erklärte auf Nachfrage von Stadtrat Mayer, „warum das alles so schleppend“ laufe: „Die Appretur steht unter Beobachtung, das dauert eine gewisse Zeit, ich kann leider keinen Zeitplan nennen.“

Mayer sagte, er sei „umso massiger, dass mit den Gutachten ein inakzeptabler Stillstand“ einhergehe und „die Rissbildung gefühlshalber eine ganz schlechte Stimmung“ verbreite, weshalb er das Ende der Vereinsaktivitäten verstehe, aber generell „Angst“ habe, dass die Appretur dem Verfall anheim gegeben werde. Darüber wolle er seinen „Unmut zum Ausdruck bringen“. Magenreuter kommentierte, er verstehe den Unmut, teile die Angst indes nicht.

CDU-Sprecher Sochor äußerte die Hoffnung, „dass sich die Stadt in Zukunft engagieren kann“, wenn die Finanzlage einen andere werde. Worauf Liane Menz gleich eine mögliche Lösung präsentierte: Stadtarchivarin Nicola Siegloch könne sich „gut vorstellen, in die Appretur umzuziehen“.

Schwäbiche Zeitung – Ausgabe 14. September 2021 von Tobias Schumacher