Die „Freunde der Appretur“ geben auf

Verein rechnet mit jahrelangem Rechtsstreit und will nur noch Bänke und Liegen aufstellen

Die „Freunde der Appretur“ streichen die Segel: Noch vor Jahresende soll eine Mitgliederversammlung die Auflösung des Vereins beschließen, bestätigt Vorsitzende Petra Eyssel gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ diesen Dienstag. Damit ist ein weiterer Versuch gescheitert, mit Engagement aus der Bürgerschaft dem leerstehenden Industriedenkmal, das der Stadt gehört, neues Leben einzuhauchen.

Dass der Verein aufgibt, liegt laut Eyssel zuvorderst an den Rissen, die im Frühjahr 2019 entlang der Stadtmauer in der Bausubstanz der Appretur am Diebsturm entdeckt worden waren. Umstritten ist nun, ob die Einbringung der Spundwände für die Tiefgarage im Sanierungsgebiet „Südliche Altstadt“ ins Erdreich nördlich der mittelalterlichen Bauwerke dafür die Ursache sind.

„Aktuell läuft beim Landgericht Ravensburg ein selbstständiges Beweissicherungsverfahren wegen der Schäden an Stadtmauer und Appretur“, erklärt dazu Isnys Bauamtschefin Katharina Haug auf Nachfrage. Die Stadtverwaltung könne sich aber „aufgrund des laufenden Verfahrens nicht zu näheren Details äußern“. Auch sei „zeitlich offen, wann das Verfahren zum Abschluss gebracht werden kann“.

Petra Eyssel ergänzt: „Die Beweisführung für den Schaden benötigte eine Abnahme durch einen vom Gericht bestellten Gutachter. Nach zweieinhalb Jahren des Wartens fand endlich ein erstes Treffen vor Ort statt. Voraussichtlich wird es Jahre dauern, bis der Schadensfall rechtlich geklärt ist.“ Diese Zeitspanne könnten die „Freunde der Appretur“ jedoch nicht überbrücken, weil „unser Finanzierungskonzept eine stabile wirtschaftliche Lage der Firmen benötigt, die als GbR die Appretur erwerben sollten“.

Nachdem vor Jahren schon das Angebot des inzwischen verstorbenen Isnyer Mäzens Karl Immler ins Leere gelaufen war – unter anderem aufgrund des Widerstands der Denkmalbehörden und abschlägiger Einschätzungen der Isny Marketing GmbH –, rund um die Appretur ein Kulturareal mit Skulpturenmeile und Freiluftbühne zu schaffen, diskutierten die „Freunde der Appretur“ anschließend mehrere Nutzungsmöglichkeiten: Es gab einen Wettbewerb mit Architekturstudenden. Schreinermeister Peter Liebald aus Sommersbach schlug ein Hostel für Radtouristen vor. Der Verein „Gesundheitswelt Überruh“ zeigte reges Interesse an einem Zweitsitz in der Stadt, sprang schlussendlich aber ebenfalls ab. Zuletzt verfolgten die Freunde der Appretur ein „Work & Space“-Nutzungskonzept für Künstler und Vereine mit Seminarräumen im Dachgeschoss.

Nun habe „Corona die Finanzlage vieler Firmen verschlechtert, es ist nicht absehbar, wann die Folgen der Pandemie überwunden sind“, erklärt Vereinsvorsitzende Petra Eyssel einerseits. Andererseits habe ihr Verein wegen der Risse seit über zwei Jahren keinen Zugang mehr zum Gebäude gehabt, um es potenziellen Interessenten vorzustellen – oder wenn, dann nur „mit einem Schlüssel und in Begleitung der Stadt“ vor dem Hintergrund des Rechtsstreits mit den Investoren in der „Südlichen Altstadt“. Als der Baugutacher diesen Sommer das Gebäude in Augenschein nahm, seien die beteiligten Parteien „alle mit Anwälten“ vor Ort gewesen, schildert Eyssel. Wenn sich je ein Investor finden sollte, der massiv Geld in die Hand nimmt, eigne sich die „Appretur eher als Abschreibungsobjekt“, und steuerliche Vorteile liefen „beim Denkmalschutz nur zwölf Jahre“, weiß Eyssel. Unter den aktuellen Voraussetzungen sei ein solches Szenario unrealistisch.

„Aus diesen Gründen beabsichtigen wir, den Verein, Freunde der Appretur Isny e.V.’ zum Ende dieses Jahres aufzulösen. Wir konnten unser Ziel, die Appretur mit Leben füllen, nicht erreichen. Das ist schade und macht uns sehr traurig“, schreiben Eyssel und die Co-Vorsitzende Liane Menz in ihrer Einladung an die Mitglieder zu einem „Feuerabend“ am Dienstag, 7. September, in der Grünanlage vor dem Industriedenkmal am Oberen Graben, der bei schlechtem Wetter auf den 14. September verschoben werden soll.

„Der Einsatz für das Industriedenkmal hat uns Spaß gemacht, wir waren mit großer Freude dabei und haben viele besondere Menschen kennengelernt“, ziehen Eyssel und Menz ihr persönliches Resümee und „hoffen“, dass die Vereinsmitglieder „unsere Entscheidung“ mittragen. Dieses Jahr schon sollen keine Beiträge mehr erhoben werden, ergänzt Eyssel. Verbliebenes Vereinsvermögen solle investiert werden in „Mobiliar an der Appretur, Liegen und Bänke, dass man Lust hat sich dort hinzusetzen“, zumal im Frühjahr eine Blühwiese angelegt worden sei; dass alles vorbehaltlich eines Beschlusses in der Mitgliederversammlung noch vor Jahresende, den Verein binnen des kommenden Jahres abzuwickeln.

Das Industriedenkmal Appretur dürfte auch in den nächsten Jahren ungenutzt leer stehen. FOTO: LIANE MENZ

Zum Abschied werden Elisabeth und Ashok Ghai am Feuerabend ein Drei-Gänge-Menü zubereiten, Getränke seien „ausreichend vorhanden“, schreiben Eyssel und Menz in ihrer Einladung: „Das Fest ist ein Dankeschön an unsere Mitglieder, verbunden mit einem großen, Schade! Aktuell ist die Umsetzung des von uns erarbeiteten Nutzungskonzepts nicht machbar.“ Menz hat eine „Slideshow“ vorbereitet, sie wird Fotos auf einer Leinwand zeigen unter dem Motto „So war’s“. – Doch was sein wird, steht nicht nur an diesem Abend mehr denn je in den Sternen.

Schwäbiche Zeitung – Ausgabe 1. September 2021 von Tobias Schumacher