Appretur als Treffpunkt für Jung und Alt

Neue Konzeption findet Aufnahme in Förderprogramm zur Quartiersentwicklung

Petra Eyssel und Liane Menz, die beiden Triebfedern im Verein „Freunde der Appretur“, haben am Montag im Gemeinderat eine neue Konzeption für das in Oberschwaben einmalige industriegeschichtliche Baudenkmal vorgestellt – Projekttitel: „Treffpunkt für Alt und Jung“.

Mit dabei im Sitzungssaal waren Architektin Christine Mayr-Baldauf aus Lindenberg, die den Stadträten Überlegungen zu einem künftigen Raumkonzept präsentierte, und Bauunternehmer Xaver Deiss aus Eglofs-Burg. Er hat durchgerechnet, was eine Sanierung der Appretur kosten könnte – geschätzte rund 1,5 Millionen Euro.

Der langgestreckte Bau an der Stadtmauer am Oberen Graben neben dem Diebsturm gehört bekanntlich der Stadt Isny und steht seit vielen Jahren leer. Die Verwaltung sei angesichts der anderen Baustellen aktuell allerdings nicht in der Lage, sich auch um die Appretur zu kümmern, sagte Bürgermeister Magenreuter. Er und Vertreter aller drei Ratsfraktionen sprachen Eyssel und Menz daher pauschal ihren Dank für das bürgerschaftliche Engagement aus. Allerdings hinterfragten die Gemeinderäte das neue Konzept teils sehr kritisch (siehe Kasten). Peter Clement (SPD) sah sich deshalb veranlasst, davor zu warnen, „zu viel Sand in ein anlaufendes Getriebe zu streuen“.

Ein erstes Nutzungskonzept mit dem Verein „Gesundheitswelt Überruh“ hatte sich im Frühjahr zerschlagen, nachdem das Landesdenkmalamt seine bauhistorische Untersuchung der Appretur vorlegte. Ergebnis: „Die Kleinstruktur ist erhaltenswert, alle Wände, Decken und die drei Treppenhäuser müssen erhalten werden, was die Nutzung stark einschränkt“, fasste Eyssel zusammen. Bei einer „moderierten Runde“ im Sommer seien dann alle Akteure einig gewesen, „die Appretur in einen Edelrohbau zu wandeln auf Grundlage eines Ausbaus in den bestehenden, kleinen Einheiten“.

Darauf fußt die „Machbarkeitsstudie“ von Architektin Mayr-Baldauf: Im ersten Stockwerk und im Erdgeschoss je vier kleine „Einheiten“ mit Dusche, WC und Küchenzeile, zwischen 28 und 69 Quadratmeter groß, die größte im Parterre auch für eine gastronomische Nutzung denkbar. Unterm Dach brächte sie einen 168 Quadratmeter großen Veranstaltungsraum nebst Nasszelle, öffentlichem WC, Thekenbereich und Lagerraum für Ausstattungsgegenstände unter. Bei der Untersuchung des Landesdenkmalamtes wurden außerdem einstige Öffnungen in der Stadtmauer entdeckt. Die würde Mayr-Baldauf als „Sitzfenster“ wiederherstellen, „um die Appretur zur Stadt hin zu öffnen“. Offenen Widerspruch von Markus Immler (Freie Wähler) und Erhard Bolender (SPD) erfuhren fünf Parkplätze, die in den Plänen vor der Appretur im Oberen Graben angedeutet sind.

Wie die angedachten „Einheiten“ zu nutzen wären, als Single-Wohnungen, Büro, Übungsraum, Ateliers, dazu werden sich die „Freunde der Appretur“ im nächsten halben Jahr beraten lassen: Ihnen ist gelungen, als „gemeinwohlorientiertes Bürgerprojekt“ ins Programm „Quartiersentwicklung 2020“ aufgenommen zu werden, das gefördert wird von der „Allianz für Beteiligung“ und dem Landesministerium für Soziales und Integration. Noch ab diesem November will der Isnyer Verein einen mit 4000 Euro dotierten „Beratungsgutschein“ einlösen, um das Projekt „Treffpunkt für Jung und Alt“ zu vertiefen. Ergebnisse sollen 2019 dem Gemeinderat präsentiert werden

Angesichts von Baukostenschätzung nach Gewerken und detailliertem Architektenentwurf kreisten die Fragen der Stadträte – neben einer Finanzierbarkeit überhaupt – um Fragen, die Otto Ziegler (SPD) auf den Punkt brachte: „Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei? Ist das Nutzungskonzept oder Bauplanung?“ Petra Eyssel betonte, für Antworten sei es noch zu früh. „Beteiligte Gruppen werden nach dem ersten Beratungsgespräch im November einbezogen, das dauert mehrere Monate, die Finanzierung ist für uns genauso eine Frage.“ Mit weiteren Antworten rechne sie ab April 2019.

Xaver Deiss, Christine Mayr-Baldauf, Liane Menz und Petra Eyssel bei der Präsentation des neuen Appretur-Konzepts im großen Sitzungssaal.

Stimmen der Stadträte zum Appretur-Konzept

Markus Immler (FW): „Als private Investorengruppe hätten Sie ein schönes Konzept vorgelegt. Es ist aber teilweise konträr zu Zielen der Gemeinde. Ein attraktiver Vortragssaal muss diskutiert werden. Er widerspricht dem Konzept des Gemeinderates zwischen Marktplatz und Schloss und gegen eine ,kulturelle Zersiedelung’. Wir stehen an einer Weggabelung: Brauchen Sie öffentliche Gelder? Bitte bringen Sie uns nicht in in eine Zwangssituation, wenn ein Nutzungskonzept nicht dem entspricht, was die Stadt sich vorstellt.“

Miriam Mayer (FW): „Sie müssen sich Gedanken machen, was Sie an finanzieller Beteiligung von der Stadt erwarten.“

Alexander Sochor (CDU): „Als Gemeinderat muss ich die Frage anschließen, wie Sie das finanzieren wollen.“

Otto Ziegler (SPD): „Ich vermisse Barrierefreiheit und einen Aufzug.“

Peter Clement (SPD): „Das sind alles Gedanken, die sich die Stadt machen müsste. Die Appretur lag viele Jahre im Dornröschenschlaf. Jetzt nimmt ein Verein das in die Hand, wir sollten dankbar sein, so früh kann man es nicht allen recht machen. Ich würde mir wünschen, wenn das wie der Leutkircher Bürgerbahnhof funktioniert, dann kann jeder einen Beitrag leisten. Das Gebäude ist es wert. Wir können nicht erwarten, dass das ohne städtischen Beitrag geht.“ (sts)

Schwäbiche Zeitung – Ausgabe 9. November 2018 – Tobias Schumacher